Von Windsor fuhren wir für 25 Kilometer auf der NS-101 und erreichten die sogenannte Kulturlandschaft Grand Pré.
Warum spricht man in Grand Pré von einer Kulturlandschaft? Es geht erneut um die Akadier, die hier lebten bzw. deren Nachfahren, die nach der großen Vertreibung Mitte des 18. Jahrhunderts zurückkehrten und anschließend hier siedelten.
Die Akadier hatten durch ein von ihnen angelegtes Deich- und Kanalsystem dem hiesigen Meer, genauer dem „Minas Basin“ mit seinen großen Gezeitenunterschieden, beträchtliche Wiesenbereiche für die landwirtschaftliche Nutzung abgerungen und so eine besondere Landschaft geschaffen. Grand Pré bedeutet in der französischen Sprache „große Wiese“.
Bereits im Jahr 2012 erkannte die Unesco die Grand Pré-Region als Weltkulturerbe an, zum einen wegen der besonderen, von Menschenhand geschaffenen Landschaft, zum anderen wegen der historischen Erinnerung an die Vertreibung der Akadier.
Wir besuchten hier die Grand Pré National Historic Site, die von Parks Canada betrieben wird.
Im Eingangsbereich hängt ein großdimensionales Kunstwerk der akadischen Fahne, es folgt eine Säule mit Holzschnitzereien aus der akadischen Geschichte.
In der anschließenden Ausstellung werden die Techniken von Deich- und Kanalbau gezeigt und ausführlich der Verlauf der großen Vertreibung der Akadier durch die Briten mit vielen Bildern und Modellen dargestellt.
Immerhin wurden ab 1755 etwa 11.000 Akadier enteignet und deportiert. Dieses Ereignis wird auch „Grand Dérangement“ genannt.
Im Kino des Informationszentrums, das einem Schiff des 18. Jahrhunderts nachempfunden ist, wird ein Film auf einem sogenannten „Splitscreen“ gezeigt, d.h. dass wir auf drei Leinwänden, parallel die Ereignisse und die jeweilige Sichtweise dazu von den Akadiern und den Briten gezeigt bekamen.
Im Außenbereich kann man eine längere Wanderung durch die Deichlandschaft unternehmen. Eine kurzer Spaziergang hingegen führt zu einer akadischen Kirche und zur Statue der akadischen Symbolfigur „Evangeline“.
Die Kirche wird „Memorial Church“ genannt und wurde 1922 von den Akadiern in Erinnerung an die abgebrannte Kirche „Saint-Charles-des-Mines“ errichtet, in der 1755 der Befehl zur Deportation verkündet wurde.
In der Kirche selbst hängen mehrere großflächige Bilder, die die Deportation zum Inhalt haben.
Hier wird den anwesenden männlichen Acadiern mitgeteilt, dass sie das Land verlassen müssen. |
Die Statue der „Evangeline“ steht seit Juli 1920 im Park von Grand Pré und hat als Identifikationsfigur für Treue und Liebe schon viele Besucher angezogen.
Sie ist eigentlich eine fiktive Figur aus einem Gedicht von Henry W. Longfellow (1807-1882) aus dem Jahr 1847. In dem Gedicht wird von der Liebe der akadischen Evangeline aus Grand Pré zu ihrem akadischen Verlobten Gabriel erzählt. Beide werden mit verschiedenen Schiffen nach Louisiana deportiert.
Evangeline versucht über Jahre Gabriel zu finden und als sie eines Tages in Philadelphia als Krankenschwester Sterbende betreut, entdeckt sie ihn im Hospital - und er verstirbt in ihren Armen.
Für die Akadier wurde die Figur der Evangeline mit den Werten der Trauer nach ihrer verlorenen Heimat Akadien und der Beharrlichkeit, ihre Liebe zu finden, zur Motivation, weiterhin an Akadien zu glauben und es gewissermaßen zurückzuerobern.
Von der Historic Site fuhren wir anschließend noch drei Kilometer nach Horton Landing, einem Ortsteil von Grand Pré. Dort steht das historisch bedeutende „Deportationskreuz“ (Croix de la Deportation) der Akadier. Das vier Meter hohe, 1924 aufgestellte Schmiedeeisen-Kreuz im gotischen Stil soll hier an die Einschiffung während der Deportation erinnern. Man nennt diesen Ort deshalb auch „pointe noir“.
Trotz der traurigen historischen Bedeutung hat man von hier einen herrlichen Blick auf das Minas Basin.
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