Das historische akadische Dorf bei Bertrand in New Brunswick
Ein Freilicht-Museum ↗ besonderer Art kann man in der Nähe von Bertrand in der kanadischen Province New Brunswick besuchen.
Die besondere Art bezieht sich darauf, dass es hier um Akadier geht.
Wer sind die Akadier? Es handelt sich um die Nachfahren von französischen Einwanderern aus dem frühen 17. Jahrhundert. Damals entstand an der Ostküste des heutigen Kanadas „Neu-Frankreich“ oder „Nouvelle France“, das von 1534 bis 1763 existierte.
Bereits 1534 hatte Jacques Cartier das Land für den französischen König in Anspruch genommen. Es folgten die ersten Siedler und 1608 wurde offiziell mit „Nouvelle France“ eine französische Kolonie eingerichtet. Die französischen Siedler kamen aus allen Gegenden des Mutterlandes, aber eine Gruppe aus der Vendée, einem Departement an der Nordwest-Küste Frankreichs, besiedelte den Norden des heutigen New Brunswick.
Sie hielten eng zusammen und bewahrten auf intensive Weise ihre Kultur, ihre römisch-katholisch geprägte Lebensweise und ihre Sprache.
Während des britisch-französischen Krieges von 1754-1763 (der 7-jährige Krieg in Nordamerika) verlangten die Briten von den Akadiern bedingungslose Treue zur britischen Krone. Die Akadier weigerten sich, und somit begannen die Briten unter Kommandant Charles Lawrence mit der "Großen Deportation", teilweise in den Süden der USA nach Louisiana oder zurück nach Frankreich. Bis 1763 wurden schätzungsweise 15.000 Akadier deportiert, etwa die Hälfte von ihnen starb, meist an Krankheiten oder bei Schiffsunglücken.
Viele der Überlebenden kamen im Laufe der Jahre zurück. Und die heutigen Nachfahren halten die akadischen Traditionen in Ehre.
Woher kommt der Name? Es gibt zwei Deutungen – die einen sagen, dass es sich erneut um ein Wort der Mi:kmac First Nation handelt. Mit dem Wort „cadie“ beschreiben sie fruchtbares Land. Die zweite Deutung besagt, dass der italienische Entdecker Giovanni da Verrazzano (1485-1528) das hiesige Gebiet gemäß der griechischen Mythologie „Arkadien“ nannte. In Arkadien lebte der Gott Pan mit seinen Nymphen in einem fruchtbaren Land.
Auf jeden Fall sind die heutigen Akadier im Nordwesten von New Brunswick eine Volksgruppe, die anderen von ihrer Lebensweise erzählen will und das tun sie im Besonderen im „Villages Historique Akadien“ bei Bertrand. Die Eröffnung fand nach jahrelanger Vorbereitung 1977 statt und es kommen immer noch neue Ausstellungsstücke in Form von Häusern hinzu.
Einige Häuser sind Reproduktionen, aber die Mehrzahl sind „umgesetzte“ Originalgebäude. Sie stammen aus den unterschiedlichsten Regionen in New Brunswick.
Vor dem Freilichtmuseum wird man schon von Stühlen in der Farbe der akadischen Flagge und von der Figur eines Akadiers bei der Arbeit begrüßt.
Die Flagge ist die Trikolore der Französischen Republik mit einem gelben Stern im blauen Streifen. Der Stern symbolisiert den Katholizismus der Akadier sowie den Nordstern, der den Seeleuten den Weg nach Hause weist.
Im Innenbereich des Visitor-Centers wird man mit Begrüßungstheke, Souvenirladen und Restaurant empfangen. Hier kann man sich vor seinem Besuch im Freilichtmuseum einen kurzen historischen Film zu den Akadiern anschauen.
Dann folgt man einem Rundweg auf dem Gelände des Freilichtmuseums. Es gibt einen Teil mit älteren Gebäuden aus den Jahren von 1773 bis 1895 und einen neueren Teil mit Häusern von 1905 bis 1949. Man beginnt den Besuch zunächst mit den älteren Gebäuden. In den meisten Häusern trifft man traditionell gekleidete Personen, die über die Historie des jeweiligen Hauses erzählen oder die Berufe vorstellen, die in den Häusern ausgeübt wurden.
Das älteste Haus, das man sich anschauen kann, ist das Martin-Haus aus dem Jahr 1773, benannt nach seinem Estbesitzer Jean-Balthazar Martin. Es ist mit Abstand das älteste Original-Gebäude und ein einfaches Holzhaus, aber schon mit Holzdach und gemauertem Kamin. Der Herkunftsort ist French Village. Er hatte schon drei mal geheiratet, ehe er mit seiner dritten Frau das Haus erbaute, was eher ein Schutzraum als ein Zuhause ist. Das Haus verfügt über keine Innenwände und nur wenige Fenster.
Kamin mit Feuerstelle im Martin-Haus |
Innenansicht mit Bett und Arbeitsstelle (Besenmacher) |
Schweinestall |
Ein weiteres Haus ist das Godin-Haus; es stamm aus dem Jahr 1890.
Zu dem Haus gehört ein Schuppen, in dem Holz eingelagert wurde. Auch wurden in ihm Fische zur Lagerung gesalzen. Das Ehepaar lebte mit 8 Kindern in diesem Haus, das im Erdgeschoss bereits neben dem Wohnraum noch einen Schlafraum für die Eltern (unbeheizt) und einen extra beheizbaren für das Kinderzimmer hatte.
Es folgt die Scheune der Charles Robin Company aus dem Jahr 1855
Im Dachboden der Scheune wurden Fisch- und Angelausrüstungen gelagert, während in der ebenerdigen Etage vieles ausgestellt ist, was man zum Fischfang, aber auch zur Konservierung bzw. zum Transport benötigte.
Fischpresse und getrocknete Aalhäute zum Herstellen von Schnürsenkel |
Viele weitere solche Details dieser Ausstellung der Historischen Acadier könnte man hier auflisten, doch möchten wir uns nur noch auf ein paar weitere wenige beschränken.
So gibt es, wenn man dem Rundgang folgt, die Robicheaud-Farm aus dem Jahr 1846.
Kuhstall |
Das Ward-Haus aus dem Jahr 1887 wird derzeit nur vom Personal der gesamten Anlage als "Rückzugsraum" genutzt.
Das Wohnhaus des Chiasson Bauernhof aus dem Jahr 1890 zeigt sich allein durch sein Äußeres interessant. (Man beachte das schräge Fenster!) In der Küche findet man eine Schwengel-Wasserpumpe.Aber auch Handwerke wurden in den einzelnen Häusern ausgestellt: in einigen konnte man den "Meistern" bei ihrer Arbeit zusehen, so z. B. beim Schuhmacher.
Aber auch der Blechschmidt war vertreten. In beiden Häusern fanden wir aktive, freundliche Männer, die begeistert über ihre Aufgaben zu berichten wussten.
Ein weiteres, diesmal etwas jüngeres Wohnhaus aus dem Jahr 1901, ist das McGrath Haus.
Ein weiteres, diesmal etwas jüngeres Wohnhaus aus dem Jahr 1901, ist das McGrath Haus.
Dieser Toilettenstuhl war insbeondere für die Mütter nach der Geburt gedacht, damit sie nicht nach außen ins Toilettenhäuschen gehen mussten. |
Gegenüber befindet sich ein Bahnhof, die North River Station von Moncton (Reproduktion), von 1930 mit interessanter Ausstellung. Hier kann man auch auf einen Shuttle warten, der einen zum Visitor-Center zurückbringt.
Hinter dem Bahnhof liegt das Gebäude eines Fassmachers (1936), der die benötigten vorgefertigten Hölzer von einem benachbarten Sägewerk geliefert bekommt. In beiden Häusern werden die Arbeitsprozesse erklärt und vorgeführt.
Die spartanische Küche mit Schwengelpumpe |
Direkt gegenüber befindet sich die Tankstelle und Garage von Irving Oil (1936) mit mehreren Oldtimern und sehr engagierten Automechanikern.
Das schönste und imposanteste Gebäude (Originalnachbau) ist das Hotel Chateau Albert (1910), in dem man übrigens auch übernachten kann. Gleichzeitig wird man an der Bar des Hotels bei Klaviermusik zu leckeren Getränken eingeladen.
Empfangbereich des Hotels |
In der folgenden „Hummer-Hatchery“ aus dem Jahr 1904 werden heute keine Hummer mehr gezüchtet, sondern es wird eine Ausstellung gezeigt und erklärt, dass das Gewerbe des Hummerfängers für viele Jahrzehnte eine große Rolle bei den Akadiern spielte.
Einen weiteren Teil des Freilichtmuseums erreicht man entlang eines kleinen Sees und nach Überquerung einer überdachten Holzbrücke (1900, Nachbau).
Hier findet man nochmals etwa fünfzehn Gebäude. Dazu gehören neben der Getreide-Mühle aus dem Jahr 1895 ...
Die Getreidemühle |
... das Cyr Haus (1852), das Savoie Haus (1962), ein "Gemischwarenladen" (1889), die "Pear Tree Taverne (1880), eine Druckerei (1880), das Haus eines Schmieds mit Werkstätte (1874), das Léger Haus (1836), das Thériault Haus (1840), eine Schule (1869), eine Kapelle (1831), eine Poststation, die Babineau Farm (1855) und im Dugas Haus (1867) werden akadische Speisen zum Verzehr angeboten.
Für das Freilicht-Museum, bzw. das Historische Akadische Dorf bei Bertrand in New Brunswick, sollte man auf jeden Fall mehrere Stunden Zeit für den Besuch mitbringen und sich darauf einlassen, viele nostalgische Dinge entdecken zu können.
Beim Verlassen dieser historischen Besichtigungsstätte wird man am Ausgang von diesem Schild in Empfang genommen:
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