Freitag, 18. August 2023

Von Pierre zum Oahe Lake

Über den ländlichen Highway 1804 fahren wir von Pierre entlang des östlichen Ufers des Missouri-Rivers über 115 Kilometer bis zur West Whitlock State Recreation Area am Oahe Lake.
1804

Kurz nach Pierre treffen wir auf den ersten interessanten historischen Ort. Auf einer damaligen Weide landete am 01. September 1927 Charles Lindbergh (1902- 1974) mit seinem Klein-Flugzeug „The Spirit of Saint Louis“. Nachdem Charles Lindbergh im Mai 1927 der erste Mensch gewesen war, der alleine und nonstop den Atlantik von New York nach Paris überquert hatte, befand er sich den Rest des Jahres auf einer Tour durch alle Landeshauptstädte der USA, um Interesse an der kommerziellen Luftfahrt zu wecken. Anfang September 1927 stattete er der Stadt Pierre einen Besuch ab, um am nächsten Tag nach Cheyenne in Wyoming weiterzufliegen.

Lindberg
Lindberg

Ein Stück bergauf am Snake Butte (Schlangenhügel) erreichen wir einen weiteren Ort der Geschichte. Dieses Mal geht es um die Kultur der "Native Americans". Hier befindet sich ein sogenanntes „Petroform“, ein aus Bouldern (Felsbrocken / großer Stein) von Menschenhand geschaffenes Bildnis – hier ist es eine Schildkröte. Das Schildkröten-Steinbild ist 4,50 Meter lang und 2,50 Meter breit, besteht aus über 50 großen Steinen und ist als „Petroform“ auf der Wiese ausgelegt. Die Legende erzählt, dass Sioux-Krieger unweit dieser Stelle einen Späher der Arikara tödlich verwundeten. Der Arikara lief noch einige hunderte Meter bevor er starb. Die von ihm beeindruckten Sioux hinterließen das Schildkröten-Bildnis, ein Stammessymbol, zum Ausdruck ihrer Bewunderung. Zwei Historical Marker informieren uns über diese Geschichte und das „turtle effigy“ allgemein, das Bildnis (effigy) der Schildkröte (turtle). Das „turtle effigy“ ist eines von hunderten dieser „Indianer-Mosaike“ in verschiedensten Formen (Schlangen, Fabelwesen, menschliche Gestalten, usw.), die man in South Dakota in den letzten Jahrzehnten entdeckt hat. Man geht davon aus, dass sie entweder Kultstätten markieren oder von besonderen Ereignissen berichten – wie hier am Snake Butte durch die Schildkröte geschehen.

turtle
Turtle
sioux mosaik

Eine kurze Strecke weiter kommen wir an einem „verlorenen Denkmal“ vorbei. Hier befindet sich ein einfacher Beton-Quader mit einigen Betonsäulen. Dieser Betonwürfel, der ehemalige Sockel eines Obelisken, ist das übrig gebliebene Relikt eines langen Streites.

ehemaliges Denkmal

Anfang des 20. Jahrhunderts ermittelte ein Wissenschaftler der Hochschule für Landwirtschaft und Mechanik in South Dakota, dass Pierre in der Nähe des „ungefähren geographischen Zentrums der USA“ liegt. Man betonte in Pierre übrigens immer das „ungefähr“. Zuerst stellte man ein Stück nordöstlich von Pierre einen Obelisken am Straßenrand auf, mit dem man sich als „geographical center“ der USA darstellte. Doch dieser Standort galt zur Straßennähe als zu gefährlich und so versetzte man den Obelisken auf den nahen Hügel. Bereits 1930 wurde Pierre jedoch dieser Titel streitig gemacht. Rugby in North Dakota beanspruchte für sich, das "geographische Zentrum" von Nord-Amerika zu sein. Es wurden unterschiedliche Methoden zur Bestimmung genutzt und man konnte sich dennoch nicht einigen. Zeitgleich wurde die Erinnerungsstätte bei Pierre mehrmals beschädigt, der beschädigte Obelisk abgetragen und dafür ein Schild angebracht. Doch auch dies und die Hinweisplakette im Steinsockel fanden bei irgendjemandem keine Akzeptanz und wurden zerstört. Igendwann gab man seitens Pierre auf. Heute steht tatsächlich nur noch der Beton-Quader als Zeugnis eines erbitterten wissenschaftlichen, politischen und privaten Streites.
Nach der Aufnahme von Alaska und Hawaii in die USA im Jahr 1959 veränderte sich die Situation sowieso komplett und so legte die National Geodetic Survey, eine Bundesbehörde zur Landvermessung, Belle Fourche in South Dakota als "Geozentrum der USA" fest. 2019 hatten wir diesen Ort bereits einmal besucht.

Nach weiteren fünfzehn Kilometern erreichen wir den Oahe Dam und das kleine Oahe Dam Visitor Center. Am Oahe Dam begann man im Jahr 1948 mit den ersten Baumaßnahmen und brauchte 24 Jahre bis zur Fertigstellung im Jahr 1962. In diesem Jahr wurde der Damm von Präsident John F. Kennedy offiziell eingeweiht.


Der Damm ist 75 Meter hoch und 2.850 Meter lang. Er staut den Oahe Lake auf, der sich gewissermaßen von Pierre, der Hauptstadt von South Dakota, über 370 Kilometer bis Bismarck, der Hauptstadt von North Dakota, erstreckt. Der Oahe Lake ist an einigen Stellen bis 60 Meter tief und hat eine Küstenlänge von über 3.600 Kilometern.

oahe-dam

Der Damm und das umgebende Gebiet wurden von Menschenhand modelliert und mit Präriegras eingesät, so dass beide landschaftlich nicht besonders auffällig erscheinen.

Nach dem Damm
Der Missouri River flussabwärts nach dem Oahe-Damm.
see
lake oahe

Neben dem Visitor-Center steht die Oahe Mission School and Chapel. Sie wurde 1877 erbaut und 1964 an ihren heutigen Standort verlegt. Sie läge nach der Flutung des Dammes unter der Wasseroberfläche des Sees. Der Missionar Thomas Lawrence Riggs (1847-1940) gründete gemeinsam mit seiner ersten Frau Nina (1848-1878) im Jahr 1874 die Oahe Mission, um hier Dakota-Kindern Bibelunterricht zu erteilen, ihnen Lesen und Schreiben in der Dakota-Sprache zu vermitteln und sie in einem Beruf auszubilden. Bereits sein Vater Stephen Riggs (1812-1883) war ein Missionar bei den Lakota gewesen und hatte viele Jahre eine Missionsstation in Minnesota betrieben. 1885 heiratete Thomas seine zweite Frau Louisa (1859-1951), die ebenfalls viele Jahre als Lehrerin in der Missionsschule tätig war. Die Inneneinrichtung der Oahe Chapel ist original aus dem Jahr 1907 und zeigt Schulbänke, die unter der Woche für den Unterricht und sonntags im Gottesdienst genutzt wurden.

Schule
the past
Schule
Info

Nach dem Besuch von Oahe Dam und Oahe Chapel folgen nun viele Straßenkilometer vorbei an Prärieland, aber auch Sonnenblumen-, Getreide- und Maisfeldern.

Prairie
Sonnenblumen
sonnenblumen
Sonnenblumen

Nach einiger Zeit machen wir wieder einen kleinen Abstecher an den Missouri-River. Hier, unter den Fluten des Oahe Lakes, existierte auch einmal eine kleine Stadt - Forest City; die erste Kreisstadt des Potter County verfügte sogar über eine Eisenbahnanbindung. 
Nichts erinnert an die einst geschäftige Ansiedlung am Missouri-River. Nur die Missouri-River Bridge, auch Forest City Bridge am US Hwy 212 genannt, eine ursprünglich freitragende stählerne Fachwerkbrücke aus dem Jahr 1958, thront über der sehr stillen Szenerie.

Brücke
Area

Kurz vor unserem heutigen Ziel, der West Whitlock State Recreation Area am Oahe Lake, kommen wir nochmals an einem Historical Marker vorbei. Es ist die Erinnerung an einen "heiligen Felsen", an den „medicine rock“, den die Dakota aufgrund von Hand- und Fußspuren auf dem Kalkfelsen als heiligen Stein verehrten. Er wurde 1953 von der Feuerwehr Gettysburg vor der Überflutung durch den Oahe Lake nach Gettysburg abtransportiert und kann dort im Dakota Sunset Museum besichtigt werden. Er würde sonst fünfzehn Meter unter der Seeoberfläche liegen.

Stein

Eine traurige Geschichte aus dem 19. Jahrhundert ist mit dem „medicine rock“ verknüpft. 1864 befand sich General Alfred Sully (1820-1879) auf seiner zweiten Strafexpedition gegen die Sioux. Zu seiner Mannschaft gehörte Captain John Feilmer, der sich alleine zu einer Besichtigung des „medicine rock“ begab und dort von drei Kriegern getötet wurde. General Sully ließ sie gefangen nehmen und köpfen; ihre Köpfe wurden anschließend auf Holzpfählen zur Warnung gezeigt.

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