Sonntag, 21. Juli 2024

Von Beaver Creek nach Tok ...

 ... in Alaska

Diese Strecke fuhren wir bereits vor sechs Jahren schon einmal. Unseren damaligen Reisebericht mit vielen Informationen und Bildern kann man unter dem folgenden Link nachlesen:

Landkarte
Karte: Wildlife Information Center

Wir verlassen Beaver Creek auf dem Alaska Highway und erreichen bereits nach 35 Kilometern die amerikanische Grenze.
Wie vor sechs Jahren können wir uns auf eine Bank setzen, die direkt auf der Grenze steht und je zur Hälfte zu einem der beiden Länder Kanada (Yukon Territorium) und Alaska gehört.

Grenzbank

Diese Grenze zwischen dem Yukon Territorium und Alaska gehört mit zu den längsten, nicht durchgehend kontrollierten Grenzen, die wir auf unserem Planeten haben. Dies ist u.a. der hiesigen, kaum begehbaren Landschaft geschuldet, die überwiegend aus Sumpfgebieten besteht. Man erkennt den Verlauf der Grenze an einem sich bis an den Horizont erstreckenden, etwa 6 m breiten Streifen, dessen Buschwerk immer wieder entfernt wird.

Grenzstein
Grenzverlauf
Der Grenzverlauf, gut sichtbar bis zum Horizont
alaska border

Nun fahren wir in Alaska weiter und wir amüsieren uns erneut über die alten Telegraphenmasten, die völlig schief und teilweise versunken im Sumpf stehen. Eine Funktion haben sie heute nicht mehr! Oft scheint es, dass sie nur durch die Telegrafendrähte noch gehalten werden.

Telegrafenmasten
Telegrafenmasten

Kurz hinter der Grenze steht dieses Hinweisschild am Straßenrand, doch das dazugehörige Anwesen hatte vor 6 Jahren schon seit Jahren geschlossen. Ob es revitalisiert wurde?

Info

Nein, die Border City Lodge ist weiterhin geschlossen und der jetzige Besitzer sucht weiter nach einem Käufer. D.h. das Hinweisschild am Straßenrand hätte längst entfernt gehört!

Border City Lodge

Auch in der nur knapp einen Kilometer weiter befindlichen ehemaligen Scotty Creek Lodge, die seit dem Jahr 2008 ihren Betrieb einstellte, gibt es weder Benzin noch Sprituosen.

scottys creek Lodge
Kein Campground, keine Geschenke, keine Sprituosen
Auch Benzin gibt es seit 2008 nicht mehr

Nach einigen Kilometern erreichen wir ein kleines Naturschutzzentrum, das sich mit der Migrationsroute der Zugvögel von Alaska bis nach Südamerika beschäftigt, schwerpunktmäßig mit den Trompeterschwänen, die auf den hiesigen Seen im Frühsommer ihre Jungen aufziehen. Außerdem wird auch ein sehr aufschlussreicher Film aus dem Alltagsleben der hiesigen Athabasca First Americans gezeigt.

Visitor Center
Zügvögel
Trompeterschwäne
Trompeterschwäne

Danach erfreuen wir uns zunächst an einigen Kilometern neu asphaltierter und gut befahrbarer Straße, um uns den Rest der Strecke wieder über zig Kilometer von einem Schlagloch zum nächsten, von einer Bodenwelle zur nächsten sowie zu größeren Schotterabschnitten bis nach Tok „durchzukämpfen“.

berg und Tal
schlechte wegstrecke
schlechte wegstrecke

In der Sumpf- und Seenlandschaften mit hohen Gebirgen im westlichen Hintergrund konnte man auf der gesamten Strecke mehrere ausgewiesene Wanderwege laufen. 

murky river
deep in the forest
vulkan

Außer einigen weiteren ehemaligen und verlassenen „Raststätten“ am Alaska Highway gab es diesmal nicht viel zu sehen – nur Natur – aber davon reichlich! 

For sale
Natur
Natur
Natur

Auf einer schnurgeraden Straße erreicht man Tok; der Ort wird als „ das Eingangstor zu Alaska“ auf dem Landweg angesehen, denn ansonsten ist dieser US-Staat nur über Wasser oder Luft zu erreichen. Mit einer Ausnahme: von Dawson City über Chicken erreicht man auch Nord-Alaska, nur führt diese Straße auch wieder nach Tok.

nach TOK

Samstag, 20. Juli 2024

Ein Gewächshaus

Das „Community Green House“ in Beaver Creek

Man stelle sich vor, dass man für seinen Lebensmitteleinkauf 450 Kilometer Fahrstrecke in Kauf nehmen müsste – eine Richtung! In Deutschland würde das bedeuten  -  wenn man beispielsweise in Frankfurt wohnen würde, müsste man nach Lübeck oder Kiel fahren, um seinen Einkauf zu erledigen. In südlicher Richtung könnte man den Einkauf in Rosenheim/Bayern erledigen.


Für die Bewohner von Beaver Creek ist dies aber Realität und sie müssen dies, bei „Wind und Wetter“, schlechten Straßen, Feuern, usw. auf sich nehmen. Zu dem Zeitaufwand von mehreren Stunden Anfahrt muss man noch die Benzinkosten hinzu rechnen und oft kommen die Kosten für eine Übernachtung in Whitehorse zusätzlich noch dazu. 
Als Alternative könnten die Bewohner von Beaver Creek zwar nach 180 Kilometern (ebenfalls eine Fahrtrichtung) den nächsten größeren Ort in Alaska, Tok, erreichen. Dann müssen sie allerdings die amerikanisch-kanadische Grenze überqueren und haben eingeschränkte Einfuhrbedingungen zu berücksichtigen.
Diese Situation hat dazu geführt, dass die Bewohner von Beaver Creek im Jahr 2007 ein gemeindeeigenes Gewächshaus, das „Community Green House“, errichteten. In den Anfangsjahren  wurden dort von den Bürgern erfolgreich Kartoffeln, Bohnen, Karotten und vieles mehr angebaut. Vor dem Gewächshaus wurden zusätzlich zahlreiche Hochbeete angelegt. Die Nahrungsmittelsicherheit und –vielfalt der Bevölkerung zumindest während der Sommermonate sollte so verbessert werden.
Im Jahr 2023 erschien ein Erstdruck über diese Ansiedlung im Grenzbereich, mit all seinen Sehenswürdigkeiten. Walking Tour Beaver Creek 

Greenhouse
The Community Greenhouse in Beaver Creek
Entnommen aus:  Walking Tour Beaver Creek ↗ 

Bereits im Jahr 2024 allerdings erscheint der Eindruck des Ortes ein gänzlich anderer als in dieser Informationsbroschüre; so z.B. auch die ehemals erfolgreiche Bewirtschaftung des „Greenhouses“.
Das gesamte Grundstück zeigte sich uns in einem desolaten Zustand. Anscheinend hapert es mit einer verantwortungsvollen Betreuung der Nutzung des Gebäudes und der Gartenanlage. Schade, denn die ursprüngliche Idee des Gemeinschaftsgewächshauses für diesen sehr abgelegenen Ort war hervorragend.
Greenhouse
Das Greenhouse im Sommer 2024
greenhouse 2024
Gewächshaus und Garten von Beaver Creek
Dort, wo man einmal Kartoffeln, ... zog, wachsen derzeit nur noch "Wildkräuter"
- und die Hochbeete stehen leer.

greenhouse
Das Gewächshaus und der Garten im Sommer 2024
Welcome to the Greenhouse!

Kirchen im Yukon

Beaver Creek – „Our Lady of Grace“

Gleich am Ortseingang von Beaver Creek steht die kleine katholische Kirche „Our Lady of Grace“. Sie ist sehr klein und nur für etwa zwanzig Gottesdienstbesucher gedacht. Interessant ist sie trotzdem – und zwar wegen ihres Baustils.
1962 hatte der Oblaten-Missionar Eusebe Morisset (1915-1993) diese Kirche in Beaver Creek errichtet. Morisset war bereits 1943 als Kaplan der amerikanischen Armee und gleichzeitig als Missionar für die hiesigen First Nation in das Yukon Territorium gekommen.

Beaver Creek – „Our Lady of Grace“
Beaver Creek – „Our Lady of Grace“
Photo: Visitorcenter Beaver Creek

In Burwash Landing hatte Morisset mit Hilfe der Brüder Jacquot bereits 1944 eine Missionsstation mit Kirchengebäude eröffnet, die allerdings in Blockbohlenbau errichtet wurden.

Burwash Landing
Burwash Landing - The Lady of the Holy Rosary

1954 erbaute er mit Hilfe einiger Aishinik und Champagne First Nations die „Our Lady of the Way“-Kirche in Haines Junction. Dieses Gebäude entspricht dem von Beaver Creek.

Burwash Landing
Haines Junction  -  Our Lady of the Way

Was ist das Besondere an diesen Kirchen?
Morisset verwendete für seinen Kirchenbau sogenannte „Quonset-Hütten“ der Armee. Die amerikanische Armee hatte während des zweiten Weltkrieges mehr als 150.000 dieser Wellblechhütten genutzt und viele später veräußert. Benannt wurden sie nach dem Ort, an dem sie 1941 das erste Mal hergestellt wurden – Quonset Point in Rhode Island. Die Hütten haben einen halbkreisförmigen Querschnitt und bestehen an den Seiten aus Wellblech. Für die Vorder- und Rückseite wurde Furnierholz mit Fenstern und Türen verwendet. Der Fußboden war ebenfalls aus Holz.

Eingangsbereich
Eingangsbereich der kath. Kirche in Beaver Creek von innen gesehen

Für die Kirche in Beaver Creek hat man, um ein schöneres Erscheinungsbild zu gestalten, den Eingangsbereich einer Quonset-Hütte teilweise in umgekehrter Form verwendet.

Beaver Creek
Beaver Creek – „Our Lady of Grace“ - 2018
Beaver Creek – „Our Lady of Grace“
Beaver Creek – „Our Lady of Grace“ - 2024

Die Ursprungshütte wurde einst als „telegraph repeater station“ (Telegrafenverstärkerstation) genutzt. Neben der Kirche steht ein moderner Glockenturm und die Kirche liegt derzeit sehr zugewachsen zwischen Bäumen.

Beaver Creek – „Our Lady of Grace“ - 2024
Beaver Creek – „Our Lady of Grace“ - 2024

Ein weiteres Gebäude im Ort ist ebenfalls ein ehemaliges Militärgebäude. Die Schule von Beaver Creek, die vom Kindergarten bis Grade 9 besucht werden kann, ist in einem ehemaligen Kantinengebäude der Armee untergebracht. Man ist in Beaver Creek sehr stolz drauf, dass man hier eine der Sprachen der White River First Nations, „Upper Tanana“, unterrichten kann.

Schule in Beaver Creek
Schule in Beaver Creek  -  07.2024

Bordertown Museum

Beaver Creek hat einen außergewöhnlichen Einwohner. Er heißt Sid van der Meer und ist häufig im Besucherinformationszentrum von Beaver Creek zu finden; dort arbeitet er nämlich, trotz hohem Alter.

Sid van der Meer

Sid kam 1953 als Kind mit seiner Familie aus den Niederlanden nach Kanada und lebt seit Anfang der 1960er Jahre mit einigen Unterbrechungen in Beaver Creek. Er heiratete Mitte der 1960er Jahre eine Frau der White River First Nations, Marilyn John (18.03.1948 - 21.07.2023). Sid ist Vater von vier Kindern und hat einige Enkel und Urenkel. Einige Jahre besaß Sid mit seiner Familie die Mountain View Lodge am Alaska Highway. Die Lodge lag an der Mile 1128 am Alaska Highway, die sich rund 35 Kilometer nördlich von Burwash Landing befand. Die Kinder der Familie van der Meer mussten anfangs die Schule in der rund fünfzig Kilometer entfernten Destruction Bay besuchen. Sid verkaufte deshalb 1978 die Mountain View Lodge, um seinen Kindern die Schulausbildung in Whitehorse zu ermöglichen, zog selbst aber für einige Zeit nach Alberta.
Was macht Sid zu einem außergewöhnlichen Menschen? Einmal ist da seine Sammelleidenschaft für historische Gegenstände und die treibt ihn seit über fünfzig Jahren an. Zum Zweiten ist da seine Fähigkeit, Gegenstände wiederzuverwenden, zu recyceln. So hat er sein Lebenswerk aufgebaut – seine „Bordertown Garage and Museum“ direkt hinter seinem Haus in Beaver Creek. Eigentlich gehört sein Haus ebenfalls zum Museum.

sids museum
Alle Fahrzeuge haben ein Nummerschild und sind fahrbereit
fahrzeuge von sid
Mit welchem fährt er denn nun eigentlich die 500 m zum Visitor Informationszentrum,
wenn nicht mit dem Fahrrad?
Mit dem, bei dem am meisten Benzin im Tank ist !!!

Unter dem Museum von Sid darf man sich jedoch nicht ein herkömmliches Museum vorstellen. Sid hat eine eigene Philosophie. Er möchte seine historischen Fundstücke so präsentieren, wie er sie gefunden hat, und die Ausstellungsgebäude sollen seinen alten Fundstücken entsprechen. Der Besuch dieses Ortes wirkt anfänglich etwas skurril, gleichzeitig jedoch ist er faszinierend. 
Betritt man das Grundstück von Sid fallen einem sofort seine am meisten geliebten Stücke auf – seine Oldtimer. Insgesamt hat er „etwa zehn“ davon und viele von ihnen sind noch fahrbereit. Highlight ist ein blaues Ford A-Modell aus dem Jahr 1928.

old-ford
sids car
Motor läuft und die handbetriebene Hupe funktioniert ebenfalls noch

Neben seinen Oldtimern hat Sid noch eine große Sammlung von Autokennzeichen aus der ganzen Welt, die er überwiegend durch Tausch mit Schildern aus dem Yukon vervollständigen konnte.

nummerschilder

Die hinter seinem Haus liegenden Ausstellungsgebäude sind alle aus „recycelten“ Materialien erbaut. Sid hat dazu, in alten Armeelagern gestöbert und noch brauchbare Teile für seine Bauten verwendet. Selbst Mile-Pfosten vom Alaska Highway, die in den 70er Jahren bei der Umstellung von Meilen auf Kilometer entsorgt wurden, sind von ihm als Stützpfeiler der Dächer, Treppen und Veranden verwendet worden.

ehemalige mileposts
Ehemalige, nicht verbaute Mile Post Pfosten wurden zur Abstützung verwendet

Türen hat er auf der Müllhalde von Beaver Creek gefunden, Fenster sind u.a. aus dem ehemaligen Westmark-Hotel von Beaver Creek.
Schwerpunktmäßig zeigt Sid in seiner Sammlung Gegenstände aus den Zeiten des Goldrausches und der Bauphase des Alaska Highways und des zweiten Weltkrieges, aber es gibt auch viele historische Sachen aus dem Alltagsleben der Menschen im Norden Kanadas. Von der Zinkbadewanne bis hin zu alten Fußwärmern aus der Zeit der White Pass & Yukon Railway ist alles vorhanden.

Zinkbadewanne
Zinkbadewanne aus längst vergangenen Zeiten

Einige Bereiche des Museums sind alten Geschäften nachempfunden. So gibt es einen Gemischtwarenladen, einen Friseurgeschäft und natürlich einen Saloon.

Saloon
Der Saloon als "Social Club"

Einige der ausgestellten Sachen hat Sid aus dem lange aufgegebenen, 1949 in Beaver Creek am Alaska Highway eröffneten Laden incl. Tankstelle von Livesay’s „übernommen“. Diesen Teil der Sammlung findet man überwiegend in seiner Gemischtwarenladenabteilung.

Livesley
Gemischwarenlager

Von der alten Registrierkasse, über historische Waagen bis hin zu Getränken, Lebensmitteldosen, usw. aus lang vergangenen Zeiten ist alles zu finden. 
Besonders zu erwähnen ist der Apothekenschrank, in dem einige sehr besondere Fläschchen lagern.

Gemischwarenladen

Im Friseurladen kann man sich auf einem alten Barbierstuhl niederlassen und dabei u.a. Schminkutensilien und Parfüms aus der Mitte des letzten Jahrhunderts anschauen.

barbierstuhl
Hier schlummert auch das ehemalige Hinweisschild:
Travellers
Information
Beaver Creek
Center

Parfüm

Aber es gibt noch so viel mehr zu entdecken und zu bestaunen. Da gibt es zum Beispiel ein schönes Modell des Raddampfers „Tutshi“, dessen Original in Carcross zu finden ist / war.

Tutshi

Sehr ansprechend sind auch immer noch die zahlreichen Wandgemälde aus den Hotels längst vergangener Zeiten, die nun in Sids Ausstellung die Wände dekorieren.

auf ein Glas
nakte dame

Auch dem „alten Goldgräber“ und seinen Lebensbedingungen ist eine Ecke gewidmet. Dazu gehören nicht nur die Ausrüstungen und sonstigen Werkzeuge, sondern auch die Alltagsgegenstände wie Essgeschirr und die geflickte Unterwäsche auf der Wäscheleine.

goldgräber

In einen Teil seines Wohnhauses beherbergt Sid van der Meer zusätzlich eine Menge historischer Landkarten, Postkarten und Bücher, alte Fotoapparate, Telefone, ein Grammophon, einen herrlichen alten Globus mit Plattenspieler und vieles mehr.

Plattenspieler

Am Ende der Führung durch dieses außergewöhnliche Museum wird es noch besonders skurril – Sid stellt auch einen Sarg aus, der überwiegend an Halloween benutzt wird -  für uns stellt er sich für ein Abschiedsfoto sogar in den Sarg.

sarg