Knapp 20 Kilometer nordwestlich der Stadt Quebec befindet
sich das kleine Reservat Wendake. In ihm wird der Besuch eines
Freilichtmuseums angeboten, der „Huron Traditional Site“. Geschichte, Kultur und Lebensweise ↗ der hiesigen Huronen sollen den Besuchern nähergebracht werden.
Das gesamte Ausstellungs-Dorf ist von einem hölzernen
Palisadenzaun umgeben und im Innenbereich ansprechend mit vielen traditionellen
Figuren und Gegenständen gestaltet.
Natürlich kann man u.a. bemalte Totempfähle anschauen, auch wenn sie nicht unbedingt zur Kultur der Huronen
gehören.
Die Huronen selbst lehnen den Namen ab, den sie von den
französischen Einwanderern bekommen haben. Die Franzosen nannten sie „hure“, was in der französischen Sprache u.a. „Eberkopf“ bedeutet. Diese wählten den Namen in Anspielung auf die Frisur der Krieger, die an den Haarbüschel auf dem Kopf eines Wildschweins erinnerte. Die Huronen selbst nannten / nennen sich Wendat (Inselbewohner).
Wir besuchten das Dorf mit einer Führung und starteten im
Kernstück des Ortes, einem traditionellen Langhaus (Yänonchia oder Wyandot).
Das Langhaus wurde aus Baumstämmen errichtet, mit denen man einen Holzrahmen
konstruierte und diesen mit geglätteter Rinde nach außen hin abdichtet. Man wohnte
hier nicht nur, sondern man lagerte auch Vorräte, Brennmaterialien und Gebrauchsgegenstände.
In einem solchen Langhaus lebten mehrere Familien eines
Clans zusammen unter der Leitung einer Clan-Mutter. Das Gesellschaftssystem der
Huronen war matrilinear, d.h. dass die Abstammung über die weibliche Linie
erfolgte. Die Clan-Mutter war nicht nur eine wichtige soziale Bezugsperson, sondern
sie vertrat die Interessen des Clans in den Dorfversammlungen. Die
Dorfgemeinschaft wurde übrigens von männlichen Häuptlingen geführt. Die
Clan-Mutter hatte außerdem die wichtige Aufgabe, die gesamte Feldarbeit zu
organisieren.
Huronendorf - aus Infotafel der Ausstellung |
In einem Langhaus gab es mehrere Kochfeuer. Jedes Kochfeuer
wurden von zwei Familien mit je fünf bis zehn Personen betreut, sodass
durchschnittlich dreißig bis vierzig Personen, manchmal bis 60 Personen, in
einem Langhaus zusammenwohnten. In einem Dorf wiederum befanden sich sechs bis
acht Langhäuser.
Bei den Huronen suchte sich eine Frau ihren Mann aus. Er
musste grundsätzlich aus einem anderen Clan sein. Nachdem sie ihn angefragt
hatte, musste er sie mit Geschenken von sich überzeugen. Außerdem wurde er
eingeladen, eine gewisse Zeit in dem Langhaus der Zukünftigen zu leben, um
seine Eignung festzustellen. Eine spätere Trennung war übrigens problemlos
möglich.
Nach dem Besuch des Langhauses, folgte ein Rundweg durch
das Dorf.
Interessant war am nächsten Punkt die Präsentation
verschiedener Konservierungs-Techniken, um Lebensmittel haltbar zu machen.
Gezeigt wurden hier eine hölzerne Rauchhütte (Etiesatraoa), in der man Fleisch
und Fisch räucherte, und ein Pökel-Holzständer (Etieatsaoaoa), auf dem Fleisch
und Fisch getrocknet wurden.
Gleich daneben stand ein Sauna-Zelt (O:hke’wa) aus Leder. Das
„Schwitzhaus“ diente nicht nur der Reinigung des Körpers, sondern wurde auch
für die spirituelle Reinigung durch Meditieren im Schwitzhaus genutzt. Im Feuer
erhitzte Steine wurden mit Wasser übergossen und so heißer Dampf erzeugt: gleichzeitig wurden noch verschiedene Kräuter genutzt.
Der Rundgang führte uns auch in das Haus des Schamanen oder Medizinmannes.
Aufgrund des heiligen Ortes für die First Nations war hier das Fotografieren untersagt. Sehr interessant
war, über die vielfältigen Aufgaben des Schamanen aufgeklärt zu werden. Er
sollte nicht nur physische und psychische Krankheiten heilen, sondern er war zusätzlich
dafür verantwortlich, Traditionen zu bewahren und Zeremonien zu leiten. Zudem
sollte er Träume deuten, Geister um Rat fragen und zukünftige Ereignisse für
den Einzelnen oder die Gemeinschaft vorhersagen.
Anschließend gingen wir in ein kleineres Langhaus, in dem im
Besonderen über die Geschichte der Huron-Wendat ↗ berichtet wurde – hier ganz
modern mit einer Video-Präsentation.
Es wurde erzählt, dass dieses Volk einst mit mehr als
20.000 Personen im nördlichen Bereich der Großen Seen lebte. Ursprünglich
hatten sie Gemeinsamkeiten mit den Irokesen, die südlich der Großen Seen
verbreitet waren. Die Sprachen der beiden First Nation-Gruppen sind eng
verwandt. Etwa im 16. Jahrhundert trennte man sich jedoch wegen
unterschiedlicher kultureller Auffassungen.
Ab 1640 erlebten die Huron-Wendat mehrere Katastrophen. Zum
einen starben mehr als die Hälfte von ihnen an von den eingewanderten Europäern
mitgebrachten Krankheiten, wie Pocken und Masern. Ein weiteres Drittel starb
während der sogenannten Bieber-Kriege bzw. der französisch-britischen Kriege.
Bei den Bieber-Kriegen handelt es sich um Angriffe der
Irokesen auf die Huronen. Die Irokesen handelten damals überwiegend mit den
Niederländern um in Europa begehrte Bieber-Felle und bekamen dafür Gewehre. Sie
waren damit waffentechnisch anderen First Nation überlegen. Die Irokesen
wollten ihre Jagdgebiete für Bieber ausdehnen und außerdem die Handelsrouten
kontrollieren. Aus diesem Grund begannen sie, Dörfer der Huronen, ihre
Konkurrenten im Pelzhandel, zu überfallen und die Einwohner zu töten. Das taten
sie mit einer grausamen Brutalität. Innerhalb der nächsten 50 Jahre rotteten
sie die noch lebenden Huronen fast aus.
Die letzten Huronen, einige Hundert, suchten Schutz
bei den Franzosen und wurden von ihnen in Reservaten im Osten von Quebec untergebracht. In
diesen kleinen Reservaten leben sie heute noch.
Sehr schön gestaltet war der nächste Präsentationsort. Hier
ging es um die traditionellen Transportmittel. Man konnte während des Vortrages
in einem Lang-Boot Platz nehmen und sich anhören, wie Kanus gefertigt wurden,
die Haupt-Transportmittel im Sommer. Für sie wurde gewässerte Birkenrinde verwendet,
die auf ein Holzgerüst gespannt wurde und anschließend in dieser Form so trocknete. Im Winter transportierte man seine Waren
mit Hilfe von Schneeschuhen und auf Langbrettern, die man mit einem Kopf-Band zog. Der
Rahmen der Schneeschuhe wurde aus gebogenem Holz gefertigt, für die innere
Bespannung nutzte man Tiersehnen.
Auf dem weiteren Rundweg besuchten wir noch ein Tipi. Die
Huronen-Wendat nutzten solche Tipis überhaupt nicht. Als man das Ausstellungs-Dorf
konzipierte, entschied man sich aber, ein Tipi zu zeigen, weil viele Besucher
mit den First Nation das Leben in einem Tipi verbinden. Man wollte am Tipi den
Unterschied der sesshaften Lebensweise der Huron-Wendat zu der nomadischen
Lebensart anderer Stämme erklären, die mit ihrem Tipi unterwegs waren. Beim Tipi werden Holzstangen kegelförmig
aufgebaut und mit Bisonfellen abgedeckt, oben wird eine Öffnung für den Rauch
gelassen. Im hiesigen Tipi wurden Landkarten, beispielsweise über die
Verbreitung der heutigen Huron-Wendat, und Ausstellungsstücke aus dem Leben der
Huronen gezeigt und erklärt.
Auf dem weiteren Weg gingen wir an einer „Inukshuk“-Steinfigur vorbei; wiederum
etwas inkonsequent, weil diese Figuren nicht von den Huron-Wendat, sondern nur
von den Inuit der Arktis-Regionen als Kennzeichen verwendet
werden.
Danach erreichten wir die letzte Station der Führung. In
dieser Hütte widmete man sich der heutigen Situation in einem Reservat mit
eigener Polizei und Schule, sowie mit eigener Verwaltung.
Abschließend statteten wir noch dem Laden der „HuronTraditional Site“ ↗ einen Besuch ab, der über ein außergewöhnlich umfangreiches
Angebot indigener Kunstwaren verfügt.